Konflikt in Sindelfingen

Sindelfingen

28.09.2012 Brief des Betriebsrats an die Sindelfinger Belegschaft vom 27. September 2012: Argumente im aktuellen Konflikt um die Fahrweise im 4. Quartal 2012.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach den Medienberichten der vergangenen Tage, spätestens aber nach der Mitarbeiter-Email von Dr. Reiss fragen Sie sich sicher, was da zwischen Werkleitung und Betriebsrat eigentlich los ist.

Die Werkleitung legt in dem Schreiben ihre Argumente im schwelenden Konflikt über die Fahrweise im 4. Quartal 2012 dar. Was bewegt uns dazu, die Vorschläge des Unternehmens abzulehnen?

Eine Dauerfrühschicht in der S-Klasse wäre für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen mit dem Verlust der Spätschichtzuschläge verbunden. Dies macht rund 11 % des Bruttoentgelts aus. Diesen Verlust durch die Erhöhung der Arbeitszeit auf 39 Stunden/Woche auszugleichen - wie es die Werkleitung vorschlägt - hieße, bei gleicher Arbeitszeit auf Freischichten zu verzichten. Gleichzeitig sind eine Reihe von Absageschichten und Blockpausen geplant. In der Konsequenz würden die Zeitkonten massiv ins Minus gehen - mit einer 39-Stundenwoche noch drastischer als mit einer 35- Stundenwoche.

Das will der Betriebsrat den betroffenen Beschäftigten nicht zumuten. Eine Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichzeitigem Rückgang von Arbeitsvolumen erscheint nicht sonderlich sinnvoll. Der Betriebsrat hat deshalb vorgeschlagen, dass die S-Klasse im Einschichtbetrieb in Wechselschicht gefahren werden könnte. Damit würden die Spätschichtzuschläge wie gewohnt erhalten bleiben. So wäre keine Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit notwendig. Die Konten würden nicht so stark belastet wie beim Vorschlag der Werkleitung. Außerdem würde der Lebensrhythmus der Beschäftigten - z.B. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen etc. - nicht verändert.

Ein Kernproblem des Konflikts ist, dass von der Unternehmensleitung zu keinem Zeitpunkt ernsthaft versucht wurde, eine Verhandlungslösung zu erzielen. Auf Weisung der Zentrale wurde von Anfang an mit der Anrufung einer Einigungsstelle gedroht. Der Betriebsrat hat seine Gesprächsbereitschaft immer unterstrichen. Voraussetzung für sinnvolle Gespräche ist, dass Produktionsprogramme der Baureihen S-, E- und C-Klasse auf dem Tisch liegen und nicht nur über Teilwahrheiten gesprochen wird. Wir müssen wissen, wie es in allen Baureihen am Standort weitergeht - erst dann kann es sinnvolle Regelungen geben.

Wir wollen die Beschäftigten vor Entgeltverlusten schützen. Außerdem soll mit den Leiharbeitern fair umgegangen werden.

Wir sind uns sicher, damit im Interesse der Betroffenen zu handeln - das ist unser gesetzlicher Auftrag. Dabei sind wir uns unserer Verantwortung in vollem Umfang bewusst.

Sobald die Unternehmensleitung dazu bereit ist, die einseitig von ihr abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen, werden wir nach einer einvernehmlichen Lösung suchen. Wenn Ergebnisse vorliegen, werden wir die Produktionsbelegschaft in einer Fortsetzung der unterbrochenen Center-
Betriebsversammlungen informieren.

Wir wissen, dass wir auf Sie zählen können!

Herzliche Grüße

Erich Klemm
Betriebsratsvorsitzender

Ergun Lümali
Stellv. Betriebsratsvorsitzender

Letzte Änderung: 01.10.2012