Frauen bei Daimler - 52 : 3225!!

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11.06.2012 Meisterinnen-Workshop der Projektgruppe Frauen des Gesamtbetriebsrats und dem Global Diversity Office Ende Mai in Sindelfingen.

Frauen bei Daimler

52 : 3225 - das ist das Zahlenverhältnis von Frauen und Männern auf der Ebene der Meister in der Daimler AG (Stand 12/2011). Der Frauenanteil an dieser Führungsebene beträgt damit ganze 1,6 %.

Ende Mai haben sich 28 der 52 Meisterinnen im Werk Sindelfingen getroffen um sich zu vernetzen und Überlegungen anzustellen, wie ihre Aufgabe für Frauen attraktiver gestaltet werden könnte. Initiiert und durchgeführt wurde der Meisterinnen-Workshop von der Projektgruppe Frauen des Gesamtbetriebsrats und dem Global Diversity Office.

"Ein Mitarbeiter hat zu mir gesagt: Du bist ja unser Gast hier. Darauf hab' ich ihm geantwortet: Nein, ich bin deine Chefin. An diesen Gedanken solltest du dich gewöhnen." Die blonde, zierliche Frau erzählt diese Episode aus ihrem frühen Meisterinnen-Dasein mit ruhiger, aber energischer Stimme. Der Kollege hat kein zweites Mal versucht, ihre Autorität in Frage zu stellen.

Es ist eine sehr besondere Situation, in der sich die wenigen Meisterinnen in der "Männerwelt" Produktion befinden. In der Regel führen sie überwiegend Männer - der Frauenanteil in der Produktion und den produktionsnahen Bereichen der Daimler AG beträgt nur 5,23 %.

In vielen Werken besteht die Produktionsmannschaft zu mehr als 95 % aus Männern. Und auf ihrer Führungsebene finden die Meisterinnen noch weniger Geschlechtsgenossinnen - in manchen Werken nur ein oder zwei. Ein Austausch über die besonderen Fragen und Probleme, denen sich die weiblichen Führungskräfte in der Produktion täglich stellen, ist daher kaum möglich.

Genau aus diesem Grund hatte die Projektgruppe Frauen des GBRs in Zusammenarbeit mit dem Global Diversity Office 2006 den ersten Meisterinnen-Workshop veranstaltet. Schon damals war deutlich geworden, wie wichtig und wertvoll die Vernetzung über die Werke hinweg für die Meisterinnen ist. Trotzdem hat es 6 Jahre gedauert, bis erneut zu einem solchen Treffen eingeladen werden konnte. Die dazwischen liegende Krise hatte die Prioritäten bei allen Beteiligten zeitweilig verschoben.

Inzwischen gibt es aber auch ein sehr starkes öffentliches Interesse an mehr Frauen in Führungsfunktionen. Außerdem wurden betrieblich erneut anspruchsvolle Zielkorridore für den Frauenanteil an den verschiedenen Führungsebenen vereinbart - für die Ebene 5 liegt die untere Linie des Korridors nun bei 4 %.

Da bleibt bei einem aktuellen Frauenanteil von 1,6 % - vorsichtig formuliert - noch einiges zu tun. Die Projektgruppe Frauen des GBRs schaut deshalb in diesem Jahr besonders intensiv auf die Meisterinnen im Unternehmen.

Entsprechend wurde auch im Meisterinnen-Workshop 2012 lebhaft darüber diskutiert, wie diese Führungsfunktion für Frauen attraktiver gestaltet werden kann. Gleichzeitig benannten die Teilnehmerinnen die Hindernisse, die auf dem Weg zur Führungskraft in der Produktion überwunden werden müssen.

Hinderlich erscheint vielen Meisterinnen bspw. die aktuelle Debatte über die Frauenquote. "Mir hat nicht nur einer gesagt, du hast die Stelle doch nur gekriegt, weil du ein Mädchen bist", erzählt eine junge Kollegin. Das Problem sei nicht die politische Zielsetzung, den Frauenanteil zu erhöhen. Es bringt die betroffenen Frauen vielmehr in Rage, dass die "Frauenquote" von einigen Kollegen als "Kampfbegriff" eingesetzt wird, um sie und ihre Leistung abzuwerten. In der Produktion herrscht eine scharfe Konkurrenz um die raren Meisterstellen.

Auch die große kulturelle Vielfalt in der Produktion macht die Führungsaufgabe für Frauen nicht unbedingt leichter. Außerdem sind die Arbeitszeiten in der Meisterfunktion bisher wenig familienfreundlich. Einige der Meisterinnen haben Kinder - für jede ist es ein individueller Balanceakt. Ohne die Unterstützung der Männer funktioniert das nicht, da sind sich alle einig.

KiTas sind für sie in der Regel keine Lösung, da deren Öffnungszeiten nicht zur Schichtarbeit passen - ein Problem, das alle Frauen und Männer in der Produktion, die auf Kinderbetreuung angewiesen sind, gleichermaßen trifft. Auch andere Themen, die im Meisterinnen-Workshop angesprochen werden, sind keinesfalls frauenspezifisch. Sie zeigen vielmehr, dass der Meister-Beruf in Zeiten der verschärften Rationalisierung und Technisierung von Verwaltungs- und Führungsfunktionen nicht einfacher geworden ist.

Und dennoch: Trotz aller ungelöster Probleme haben die Meisterinnen Spaß an ihrem Job. Sie beschreiben ihn als abwechslungsreich und herausfordernd. Die eine oder andere habe sich außerdem aus der Meisterfunktion persönlich noch weiterentwickeln können. Die Frauen sind stolz darauf, zu den wenigen zu gehören, die es tatsächlich in diese Funktion geschafft haben und sich dort auch behaupten konnten. Und von ihrer Produktionsmannschaft sprechen sie im Regelfall geradezu liebevoll. Den jungen Frauen raten sie Eigeninitiative und Leistung zu zeigen, sich nicht einschüchtern zu lassen und unbeirrt ihr Ziel zu verfolgen. Auf die Quote solle sich keine verlassen.

Letzte Änderung: 11.06.2012