"6,5 Prozent sind realistisch"

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21.03.2012 (dpa-Gespräch) Daimler-Betriebsratschef: "6,5 Prozent sind realistisch" Gespräch: Heiko Lossie, dpa

Keine halben Sachen: 6,5 Prozent, mehr Regeln für die Leiharbeit und
unbefristete Azubi-Übernahme - im Tarifstreit haben die Arbeitnehmer
keine Verhandlungsmasse, sagt Daimler-Aufsichtsrat Erich Klemm.

Sindelfingen (dpa) - Daimlers Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm
sieht in dem dreigeteilten Wunschpaket der Gewerkschaft keine
Zwickmühle für die angelaufenen Tarifverhandlungen. "Wir haben uns
darauf festgelegt, dass wir alle drei Forderungen als gleichgewichtig
betrachten und haben für alle ja auch gute Argumente. Es darf nicht
passieren, dass uns die Azubi-Übernahme bei der Lohnerhöhung
angerechnet wird. Das macht auch volkswirtschaftlich keinen Sinn",
sagte der Daimler-Aufsichtsrat der Nachrichtenagentur dpa.

Ginge es nach Klemm, haben die Arbeitgeber nur eine Chance: Bis
Pfingsten Zugeständnisse beim Verdienst zu kombinieren mit einer
unbefristeten Übernahmegarantie für alle Azubis und obendrein mit
mehr Mitspracherecht bei der Leiharbeit. "Die Arbeitgeber hatten die
Chance, vor der Tarifrunde über die nicht-materiellen Themen
Einigkeit herzustellen. Ich bin Zeuge vieler Brücken, die gebaut
wurden. Wir haben keine Ergebnisse, also musste das jetzt in die
Tarifforderungen hinein", sagte der Arbeitnehmervertreter, der in der
Tarifkommission verhandelt. Er gab sich siegessicher. "Die Kraft der
Belegschaften wird am Schluss eine Lösung herbeizwingen."

Mit Blick auf den Verhandlungspartner sagte Klemm: "Was auf
Arbeitgeberseite besonders emotional belegt zu sein scheint, ist das
Azubi-Thema. Für mich völlig irrational." Aus Sicht von Gesamtmetall
ist das Ziel unbefristeter Verträge für den Nachwuchs ein "Zwang zur
flächendeckenden Verbeamtung von Fünfzehnjährigen". Klemm dazu: "Das
ist wirklich Unsinn. Es geht nicht um die Frage, ob sich junge Leute,
die null leisten, sicher fühlen können. Es geht um den Normalfall gut
ausgebildeter junger Menschen und dass die sich darauf verlassen
können, nach der Ausbildung nicht arbeitslos zu sein."

Auch das Argument, dass die Forderung nach mehr Betriebsratsmacht
beim Streitthema Leiharbeit den Flächentarif aufweiche, wies Klemm
zurück. "Das genaue Gegenteil ist ja der Fall. Heute wird durch
Leiharbeit der Flächentarif infrage gestellt, weil viele Unternehmen
mit Leiharbeit eine zweite Entgeltlinie unter das Tarifniveau ziehen
und damit Lohndumping betreiben. Es wird ja offen darüber gesprochen,
dass man Leiharbeit auch zur Kostenreduzierung braucht."

Klemm ließ keinen Zweifel daran, dass der Kampfeswille nach jüngst
eher kleinen Tarifzuwächsen groß sei. "Die Kollegen haben nun das
Empfinden, dass sie jetzt mal dran sind." Auch bei den zwei Themen
neben dem geforderten Einkommensplus bestehe Einigkeit. "Wenn man bei
Leiharbeit und Azubis anderen hilft, hilft man sich auch selber.
Diese Erkenntnis hat sich durchgesetzt." Auch bei der Lohnzahl sei
die Gewerkschaft zu keinen Abstrichen breit. "Wir fordern 6,5
[Prozent]. Genau das halte ich für realistisch", sagte Klemm.

Letzte Änderung: 22.03.2012